Von einer lokalen, konservativen kulturpolitischen Szene bekämpft, aber auch von linksorientierten Kreisen als »kapitalistischer Händler« mit Skepsis betrachtet, wurde der Blick auf die künstlerische Qualität der Galeriearbeit Van de Loos nur zu leicht verstellt. Zwei Ereignisse waren dafür charakteristisch: Die SPUR-Prozesse und der Eklat mit der Gruppe der »Internationalen Situationisten«, ein Zusammenschluss linksorientierter Intellektueller und Künstler. Im Spannungsfeld dieser extrem unterschiedlich gelagerten Kontroversen lassen sich Anspruch und Selbstverständnis der Galerie van de Loo wie auch ihre Außenwirkung präzise fassen. Beide Ereignisse fielen in eine Zeit, in der die westeuropäische, besonders jedoch die bundesdeutsche Kunstszene noch weit von jeder Normalität entfernt war. Kunst konnte noch polarisieren und die Gemüter erhitzen. Die Beschlagnahmung der Zeitschrift SPUR 1961 durch das Sittendezernat der Kripo München, der später in Berlin heiß diskutierte »Fall Baselitz« und vergleichbare Auseinandersetzungen kulminierten in dem Vorwurf der Obszönität. Allerdings war die Münchner Reaktion feindseliger und nachhaltiger in der Wirkung als andernorts. Die SPUR-Künstler galten hier als »Nestbeschmutzer«, die sich gegen selbstgefällige Behäbigkeit und Intoleranz zur Wehr setzten. In einer Zeit, die von Prüderie und doppelter Moral ebenso lebte wie von der Chimäre unbegrenzten Wachstums, bedeutete jede Verletzung wohl gehüteter Normen ein schwer zu tolerierendes Sakrileg.
Aus heutiger Sicht erscheint der Wirbel lächerlich, jedoch hatten die beklemmend engstirnige Argumentation der Staatsanwaltschaft, eine Haftstrafe der SPUR-Künstler auf Bewährung und Ausstellungsverbote für die Galerie einschneidende Konsequenzen. Aber auch der Angriff der links orientierten »Situationisten«, mit denen die Künstler der Galerie van de Loo kooperierten, schoss am Ziel vorbei: Es ging auch hier nicht um die Kunst, sondern um eine politische Position. Die Linke witterte in van de Loo den kapitalistischen Händler, der seine Künstler zu »Kunstproduzenten« degradiert, während er für die Münchner Kulturbürokratie umgekehrt in wörtlichen Sinne ein »rotes Tuch« bedeutete. Nicht das künstlerische Potenzial, sondern die intellektuelle Linkslastigkeit wurde hier ausschlaggebend, eine Scheuklappenwahrnehmung, die in erster Linie für Versäumnisse und Fehlentscheidungen verantwortlich war. Nachdem die einzige Arbeit von Asger Jorn in staatlichem Besitz in München erst ab 1990 durch Ankäufe aus diesem Umfeld erweitert werden konnte, waren die Weichen bereits in eine andere Richtung gestellt: Otto van de Loo entschloss sich 1992, Teile seiner Sammlung an die Nationalgalerie in Berlin zu geben, gefolgt von einer weiteren Stiftung 2000 an die Emdener Kunsthalle.
Lässt man diese Sammlungen, aber auch die zahlenmäßig bescheidene, jedoch aufschlussreiche Münchener Werkgruppe vor dem geistigen Auge vorbeiziehen, so fasziniert die innere Geschlossenheit. Van de Loos Künstler verbindet das Ungeformte der Bildsprache, in der sie nach neuen Orientierungspunkten außerhalb einer in Normen erstarrten Gesellschaft suchen. Es geht um Kunst als Sprache, ein Gedanke, der für Otto van de Loo verbindlich war. Hier blieb er kompromisslos, kämpferisch und Repräsentant jener legendären Pilotgalerie jenseits des »mainstreams« und ganz auf die unverbrauchte Kraft der Bilder bauend.
Nach der Ausstellung der Sammlung van de Loo in der Nationalgalerie Berlin und der Emdener Kunsthalle, die erstmals beide Stiftungen an die dortigen Häuser vollständig präsentierte, richtet das Münchner Projekt den Blick darüber hinaus stärker auf die Biografie der Galerie, in der maßgebliche Auseinandersetzungen dieser Jahre um kulturpolitische und allgemein künstlerische Fragestellungen zum Ausdruck kommen.
Zur Ausstellung erscheint der Katalog: »Leidenschaft für die Kunst – Otto van de Loo und seine Galerie«. 184 Seiten mit Originaltexten, einer Chronologie, zeitgenössischem Bildmaterial und einführenden Essays von Carla Schulz-Hoffmann und Nina Schleif. Diese Dokumentation über einen ungewöhnlichen Galeristen und seine Künstler macht exemplarisch deutlich, welche Umbrüche sich hier bereits ankündigten und wie sich das persönliche Engagement eines Händlers im idealistischen Einsatz für die Ziele der Kunst zeigte.
Pinakothek-Dumont Verlag. Preis: 17,90 Euro
Kuratorin: Carla Schulz-Hoffmann
Asger Jorn: Lockung, 1960
mehr dazu unter www.pinakothek.de
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Artikel von: stadtteile-muenchen.de